kontakt
via facebook
kontakt
via twitter
kontakt via xing
|
"Über die Relevanz
systemtheoretischer Annahmen zur politischen Steuerung"
Meine Magisterarbeit, verfasst im Fach Politikwissenschaft an der
Universität Tübingen, greift mehrere äußerst komplexe theoretische und
gesellschaftspraktische Zusammenhänge auf.
Aufgearbeitet und untersucht werden zunächst unterschiedliche
systemtheoretische Annahmen zur politischen Steuerung. Jene
steuerungspessimistischen von Niklas Luhmann und diejenigen Helmut
Willkes, die von der Notwendigkeit politischer Steuerung für die
Integration von Gesellschaft ausgehen. Diese allgemeinen Ausführungen
werden am Beispiel des Gesundheitssystems, genauer: der ambulanten
Krankenversorgung im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung,
spezifiziert und konkretisiert. Eine empirische Analyse des Gremiums
"Gemeinsamer Bundesausschuss" (G-BA), über das sich verschiedene
Akteure des Gesundheitssektors mit der politischen Ebene abstimmen,
belegt das Vorhandensein jeweils ganz unterschiedlicher Perspektiven
sowie Interessen und macht die systemtheoretische Vorstellung sehr
selbstbezüglich operierender Sozialsysteme plausibel.
Entsprechend Letzterem fordert Helmut Willke statt eines kaum
erreichbaren Konsenses, eine produktive Nutzung von Dissens in
Aushandlungsprozessen wie jenen im Rahmen des G-BA anzustreben. Hierzu
schlägt er als angemessenes Vorgehen die "dezentrale Kontextsteuerung"
vor, bei der eine "supervidierende Politik" die Autonomie der in einem
"systemischen Diskurs" vertretenen Verhandlungsparteien weitestgehend
wahrt.
Im weiteren Verlauf der Magisterarbeit wird Willkes theoretisches
Modell mit der institutionalisierten Praxis des G-BA ausführlich
abgeglichen und hinterfragt.
Als ein Ergebnis dieses Abgleichs sind erhebliche konzeptionelle
Schwächen in Willkes Modell der dezentralen Kontextsteuerung
festzuhalten. Zwar ist seinem systemtheoretischen Beitrag zur
politikwissenschaftlichen Steuerungsdiskussion grundsätzliche Relevanz
zuzusprechen – denn im Hinblick auf das Postulat der Notwendigkeit
politischer Steuerung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie
entsprechender komplexer theoretischer Modelle ist ihm Recht zu geben.
Allerdings sollte dazu auf alternative systemtheoretische Überlegungen
zurückgegriffen werden, da Willkes Modell aufgrund mangelhafter
Ausarbeitung als für die wissenschaftliche Analyse ungeeignet
anzunehmen ist.
In der untersuchten Praxis der Aushandlungen innerhalb des G-BA bzw.
zwischen diesem und dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung zeigte sich entgegen der seitens der Systemtheorie
geforderten Heterarchie eine klare Dominanz des politischen Systems in
den Beziehungen mit den verschiedenen Akteuren des Gesundheitssektors.
Die Vorstellung Willkes von einer supervidierenden Politik, die
selbstreflexiv genug ist, um Eingriffe in die Autonomie der Beteiligten
des systemischen Diskurses zu vermeiden, findet in der Realität kaum
Entsprechung.
Die dezentrale Kontextsteuerung Helmut Willkes erfordert zu ihrer
Umsetzung letztlich auch eine Revision der Demokratie: Nicht mehr der
einzelne Bürger, die mediäre Ebene der Organisationen, soll
Ausgangspunkt demokratischen Regierens sein. Derartiges kann aber
derzeit weder in der politischen Praxis noch in den leitenden
Überlegungen der deutschen Politikwissenschaft als eine realistische
Option angesehen werden.
Eine PDF-Version meiner Magisterarbeit stelle ich Interessierten auf Anfrage
(info (at) outopos.de) gerne zur Verfügung.
|