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"Über die Relevanz systemtheoretischer Annahmen zur politischen Steuerung"
Meine Magisterarbeit, verfasst im Fach Politikwissenschaft an der Universität Tübingen, greift mehrere äußerst komplexe theoretische und gesellschaftspraktische Zusammenhänge auf.

Aufgearbeitet und untersucht werden zunächst unterschiedliche systemtheoretische Annahmen zur politischen Steuerung. Jene steuerungspessimistischen von Niklas Luhmann und diejenigen Helmut Willkes, die von der Notwendigkeit politischer Steuerung für die Integration von Gesellschaft ausgehen. Diese allgemeinen Ausführungen werden am Beispiel des Gesundheitssystems, genauer: der ambulanten Krankenversorgung im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung, spezifiziert und konkretisiert. Eine empirische Analyse des Gremiums "Gemeinsamer Bundesausschuss" (G-BA), über das sich verschiedene Akteure des Gesundheitssektors mit der politischen Ebene abstimmen, belegt das Vorhandensein jeweils ganz unterschiedlicher Perspektiven sowie Interessen und macht die systemtheoretische Vorstellung sehr selbstbezüglich operierender Sozialsysteme plausibel. Entsprechend Letzterem fordert Helmut Willke statt eines kaum erreichbaren Konsenses, eine produktive Nutzung von Dissens in Aushandlungsprozessen wie jenen im Rahmen des G-BA anzustreben. Hierzu schlägt er als angemessenes Vorgehen die "dezentrale Kontextsteuerung" vor, bei der eine "supervidierende Politik" die Autonomie der in einem "systemischen Diskurs" vertretenen Verhandlungsparteien weitestgehend wahrt. Im weiteren Verlauf der Magisterarbeit wird Willkes theoretisches Modell mit der institutionalisierten Praxis des G-BA ausführlich abgeglichen und hinterfragt.

Als ein Ergebnis dieses Abgleichs sind erhebliche konzeptionelle Schwächen in Willkes Modell der dezentralen Kontextsteuerung festzuhalten. Zwar ist seinem systemtheoretischen Beitrag zur politikwissenschaftlichen Steuerungsdiskussion grundsätzliche Relevanz zuzusprechen – denn im Hinblick auf das Postulat der Notwendigkeit politischer Steuerung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie entsprechender komplexer theoretischer Modelle ist ihm Recht zu geben. Allerdings sollte dazu auf alternative systemtheoretische Überlegungen zurückgegriffen werden, da Willkes Modell aufgrund mangelhafter Ausarbeitung als für die wissenschaftliche Analyse ungeeignet anzunehmen ist.
In der untersuchten Praxis der Aushandlungen innerhalb des G-BA bzw. zwischen diesem und dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung zeigte sich entgegen der seitens der Systemtheorie geforderten Heterarchie eine klare Dominanz des politischen Systems in den Beziehungen mit den verschiedenen Akteuren des Gesundheitssektors. Die Vorstellung Willkes von einer supervidierenden Politik, die selbstreflexiv genug ist, um Eingriffe in die Autonomie der Beteiligten des systemischen Diskurses zu vermeiden, findet in der Realität kaum Entsprechung.
Die dezentrale Kontextsteuerung Helmut Willkes erfordert zu ihrer Umsetzung letztlich auch eine Revision der Demokratie: Nicht mehr der einzelne Bürger, die mediäre Ebene der Organisationen, soll Ausgangspunkt demokratischen Regierens sein. Derartiges kann aber derzeit weder in der politischen Praxis noch in den leitenden Überlegungen der deutschen Politikwissenschaft als eine realistische Option angesehen werden.

Eine PDF-Version meiner Magisterarbeit stelle ich Interessierten auf Anfrage (info (at) outopos.de) gerne zur Verfügung.


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